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Wer ist Dr Hans Castelijns

 

Niedrige und untergeschobene Trachten: Ursachen, Folgen und Lösungen

I. - DEFINITIONEN:

Zu niedrige Trachtenwände bedeutet eine zu flache, fehlerhafte Stellung der Zehenachse. Man kann es auch als Fehlen der Hornwand im Bereich der Trachten oder einen Überschuß der Hornwand in der Hufspitze bezeichnen: Im letzten Fall kann der Fehler durch Beschneiden des Hufes ausgeglichen werden. (Schema 1b )

Man spricht von untergeschobenen Trachten, wenn die Zehen- und Trachtenlinie des Hufes nicht parallel verlaufen (Schema 1c ) . Das bedeutet, daß die Hornröhrchen, die von dem Kronrand zum Boden verlaufen, in der Hufspitze einen größeren Winkel bilden als an der Trachtenwänden.

Obwohl dieser Huffehler oft mit zu niedrigen Trachtenwänden gleichgesetzt wird, unterscheidet er sich durch die Tatsache, daß die Zehenachse nicht gebrochen sein muß und der Huf somit nicht durch Beschneiden korrigiert werden kann.

II. - URSACHEN:

a) Spitzgewinkelte Zehenachse

Eine zu flache, fehlerhafte Zehenachse wird oft Pferden mit langem Fesselbein zugeschrieben, da die Trachten mehr beansprucht werden und dies zu einer größeren Abnutzung oder zu einem schlechteren Wachstum der Trachten durch Belastungseinwirkung führen kann.

b) Verlauf des Kronrandes

Der Verlauf des Kronrandes (2) gehört zu der individuellen Beschaffenheit eines jeden Pferdes. Wenn der Kronrand des Hufes fast parallel zum Boden verläuft und die Zehenachse ungebrochen ist, hat man physiologisch lange Trachten. Wenn der Kronrand stark geneigt zum Boden verläuft, hat man hingegen physiologisch kurze Trachten. Und wenn der Kronrand sich in einer gebogenen Linie in Richtung Trachten neigt, wird man leicht untergeschobene Trachten haben.

Paradoxer Weise sind es jedoch die langen Trachten (mit nur wenig geneigtem Kronrand), die oft untergeschobene Trachten bilden, wenn diese sich nach Vorne neigen.

c) Flachhuf (breiter Huf mit spitzen Seitenwänden)

Man spricht von einem Flachhuf, wenn der Neigungswinkel der Hufwand in bezug zum Boden sehr große ist (3 ) . Diese Art von Huf hat einen sehr ausgeprägten Hufmechanismus und kann aufgrund der fortwährenden Bewegung (Öffnen und Schließen) auch bei beschlagenen Pferden zu einer außergewöhnlichen Abnutzung der Trachtenwände führen.

d) Grad der Huffeuchte

Der Hufmechanismus hängt außer der Form des Hufes auch von dessen Feuchtigkeitsgrad ab. Die inneren Partien des Hufes sind verhältnismäßig feuchter und ziehen sich zusammen, wenn der Huf Feuchtigkeit verliert. Ein sehr feuchter Huf hingegen dehnt sich aus. Dies hat zur Folge, daß sich die Trachtenwände aufgrund ihrer hohen Elastizität und schlechten Hornbeschaffenheit schneller abnutzten.

e) Zu lange Beschlagperiode

Generell kann man sagen, daß auch bei beschlagenen Pferden der Hufmechanismus und folglich die Abnutzung der Trachtenwände stattfindet. Das führt dazu, daß die Hornwand im Zehenbereich wächst, sich aber aufgrund des Beschlags nicht abnutzt, und die Hornwand der Trachten ebenfalls wächst sich jedoch abnutzt. Dieses Ungleichgewicht verschlimmert sich je länger das Beschlagsintervall ist. (4)

f) Bockhuf

Ein besonderer Fall ist der sogenannte Bockhuf (5) oder Weidehuf. Hier führt das besondere Verhalten der Fohlen, die einen Fuß nach Vorne und den anderen unter den Leib stellen, um besser grasen zu können, zur Bildung zweier verschiedener Hufen: Einem Bockhuf mit hohen Trachtenwänden und einem Huf mit untergeschobenen Trachten. Dieses Verhalten ist einer ungleichmäßigen Entwicklung der Bein- und Halslänge zuzuschreiben (was ich persönlich oft bei Araberfohlen beobachtet habe, die sich zwischen dem 4. und 8. Monat extrem entwickeln).

g) Fehler bei der Hufkorrektur und beim Beschlagen

Fehler bei der Hufkorrektur und beim Beschlagen sind häufig der Grund für zu niedrige und/oder untergeschobene Trachten. In einigen Disziplinen und Reittraditionen waren diese Fehler nahezu die Norm und sind es zuweilen heute noch.

Hierbei denke ich zum Beispiel an Galopp- und Trabrennpferde, an Vorführaraber (Schauaraber) und selbstverständlich auch an die Hinterbeine der Quarterpferde beim Reining. In diesen Disziplinen wurden und wird mit folgenden Rechtfertigungen argumentiert: "dient der Schnelligkeit" (Trab), "hebt die Bewegung hervor" (Araberpferde) und "auf diese Art und Weise gelingt der sliding stop besser" (Reining).

Ich habe Züchter von Rennpferden kennengelernt, die von ihrem Hufschmied verlangen, alle Hufen flach und rund werden zu lassen, auch wenn dazu die Trachten drastisch gekürzt werden mußten, ohne auf die Stellung der Zehenachse zu achten.

Die Angst (oft auch gerechtfertigt), daß sich das Pferd mit den Hinterhufen in die Vordergliedmaßen greift und sich auf diese Weise die Vordereisen runterreißt, weil es an den Trachten "bequem" beschlagen ist, führt oft zu einem zu kurzem und/oder engem Beschlag. Dies hat jedoch zur Folge, daß das Pferd bei zu langer Beschlagperiode keinen angebrachten Trachtenschutz hat.

Um zu erkennen, daß bei vielen Pferden oft der Hufbeschlag Grund der zu niedrige Trachten ist, genügt es zu beobachten, daß die Hufen unbeschlagener Pferde mit genügend Bewegungsfreiraum relativ gut geformt sind.

Eine lange Zehe berührt den Boden zuerst und nutzt sich somit schneller ab: Durch den Strahlkörper, die Eckstreben und die Hornsohle, die auch teilweise mit dem Boden in Berührung kommen, wird das Gewicht besser verteilt und kann somit zu einem besseren Wachstum der Trachten führen.

III. - FOLGEN:

Um die Folgen einer fehlerhaften Gliedmaßenstellung untersuchen zu können, muß man die Anatomie (6 ) und Physiologie des Pferdes genau kennen. Hierbei sind die Biomechanik und Biokinetik, durch die die Kräfte und Hebel und die Bewegung der "Maschine"-Pferd beschrieben werden, besonders wichtig.

a) Bewegungsbiologie

Fangen wir zuerst mit einer kleinen Vorbemerkung der Biokinetik an (7 ) , durch die bereits bewiesen ist, daß das alte Model bezüglich der Einwirkung der Zehenachse auf die Bewegungskurve der Gliedmaßen falsch ist, auch wenn dieses Model jahrzehntelang in den unterschiedlichsten Büchern über Hufbeschlag und Hufschutz weitergegeben und übertragen wurde (siehe Ratzlaff, Clayton, Balch und Vanschepdeal).

Die Schwingphase der Gliedmaßen beschreibt einen mehr oder weniger flachen Bogen mit zwei Hochpunkten. Hierbei bleibt der beschriebene Bogen verhältnismäßig unverändert, unabhängig vom Hufwinkel.

Ein Huf mit zu niedrigen Trachten und folglich mit zu langer Zehe, hat eine veränderte Fuß- und Stützphase: Zehenfußung und verzögertes Abrollen. Folglich verschiebt sich die Stützphase unter den Pferdeleib.

b) Biomechanik

In der Sprache der Biomechanik liegen folgende Auswirkungen vor:

1) Die Länge des Hebels

Zunehmende Länge des Hebels vom Zehentragerrand zum Hufgelenk und zum Fesselgelenkzentrum. (8 )

2) Ungleichmäßige Belastung des Aufhängeapparats des Fesselgelenkes

Unharmonisch belasteter Aufhängeapparat des Fesselgelenkes. (9 ) Die Hufkapsel und mit ihr das Hufbein neigt sich stärker, und belastet auf diese Wiese die tiefe Beugesehne. Dies führt zu einer Vertikalisierung des Fesselbeins und hat eine Belastungsreduzierung der oberflächigen Beugesehne und des Fesselträgers zur Folge.

Wichtig ist, daß der akute Winkel, in dem die tiefe Beugesehne um das Strahlbein verläuft, den Hufrollenschleimhautbeutel unter höheren Druck setzt.

3) Veränderung der Wechselbeziehungen im Fußgelenk

Das Kronbein richtet sich in bezug auf das Hufbein auf , (10 ) und kommt stärker mit dem Strahlbein in Kontakt, das wiederum nicht nach unten nachgeben kann, weil seine kollateralen Bänder es mit den distalen Enden des Fesselbeins verbinden. Diese Überbeanspruchung geschieht vorwiegend während der Abstemmphase. (11)

4) Prellungen und kleine Verletzungen

Kurze Trachten, zusammen mit weichen Eckstreben und eines stark entwickelten Strahles, setzen den gesamten hinteren Hufbereich mehreren Prellungen und Verletzungen aus: Daher können sich leichter Steingallen an den Sohlenwinkeln bilden, aber auch eine negative Wirkung auf den Hufrollenschleimbeutel zur Folge haben.

5) Überbeanspruchung der Lederhautblättchen

Zu lange Zehen verursachen eine erhöhte Beanspruchung der Lederhautblättchen im Zehenbereich (12 ) , vor allem, wenn die dorsale Hufwand, die zum Hufbein nicht mehr parallel verläuft, eine konkave Form annimmt.

Die große Beanspruchung, die die tiefen Beugesehne auf das Hufbein ausübt, führt zur Verbreitung der Weislinie im Zehenbereich. Eine lose Hufwand und in seltenen Fällen auch Rehe sind die Folgen.

6) Überbelastung des Kronwulstes

Zu niedrige Trachten führen zu einer Überbelastung des Kronwulstes im hinteren Bereich des Fußes, was einen schlechteren Wachstum dieses Bereich zur Folge hat und oft in einen Teufelskreis führt.

IV. LÖSUNGEN

Techniken über das Ausgleichen der Fehler von zu niedriger und/oder untergeschobener Trachten reichen von den grundlegendsten Regeln der Hufpflege bis zu den komplexesten Methoden, die wie folgt lauten:

1) Korrekte Beschlagperiode

Die Beschlagperiode muß auf jedes Pferd individuell angepaßt sein. Besonders Pferde mit Flachhufen sollten häufiger beschlagen werden.

2) Bequeme, breite und lange Hufeisenschenkel

Es sollten bequeme, breite und lange Hufeisenschenkel an den Trachten gelassen werden.

Eine passende Regel diesbezüglich könnte Folgende sein: Die Schenkelenden der Hufeisen sollten so weit nach Hinten überstehen, daß sie sich auf halber Strecke zwischen Trachten und vertikaler Projektion der Ballen befinden. (13)

3) Abraspeln der konkaven Zehenwand

Beim Abraspeln der eventuell konkaven Zehenwand sollte auf einen parallelen Verlauf zum Hufbein geachtet werden.

Wenn man die Hufzehe etwas über den Hufeisenrand herausragen läßt, fällt der Schwerpunkt des Hufeisens besser mit der Projektionslinie des Mittelpunktes des Hufgelenkes zusammen. Für die Vorderhufen werden hierzu Eisen ohne Zehenaufzüge oder mit seitlichen Zehenaufzügen verwendet. Ein ähnliches Resultat erhält man, indem man die Zehenrichtung in oder am Hufeisens schmiedet.

4) Nach Innen gerichtete Tragerfläche des Eisens

Um den übermäßigen Hufmechanismun des Flachhufes zu verringern, kann man die Tragerfläche des Eisens nach Innen richten. Zum gleichen Zweck dienen jedoch auch seitliche Zehenaufzüge, die an den weitesten Stellen des Hufes angebracht werden.

5) (Ei)-Stegeisen

Eine weitere Verbesserung der Auftrittsfläche im Trachtenbereich kann durch Gebrauch eines (Ei)-Stegeisens erreicht werden. Geringeres Einsinken der Trachten im Boden und ein besseres Übereinstimmen des Hufeisenmittelpunktes mit dem Zentrum des Hufgelenkes ist die Folge.

6) Umgekehrtes Eisen

Eine Steigerung des (Ei)-Stegeisens ist der Gebrauch des umgekehrten Hufeisens mit oder ohne seitlicher Zehenaufzügen. Außer dem Vorteil einer größeren Auftrittsfläche im Trachtenbereich wird ein besseres Abrollen des Hufes erzielt. Durch diese Lösung kann sich die Zehe im Beschlagsintervall leicht abnutzen.

7) Eisen mit verdickten Schenkeln

Die Zehenachse kann durch Anbringen von Eisen mit verdickten Schenkeln oder durch Eisen + Unterlagen wieder hergestellt werden. Manchmal werden Eisen mit verdickten Schenkeln bei Problemen untergeschobener Trachten verwendet. Dabei ist jedoch nötig die Trachten vorerst gründlich auszugleichen, um den Bereich zu entfernen, in dem die sich nach Vorne neigenden Hornrörchen verlaufen (14). Auch wenn dies teoretisch gesehen richtig ist, ist es immer schwierig atrophische Trachten zusätzlich zu kürzen. Es ist jedoch mögliche ein (Ei)-Stegeisen in Kombination zu erhöhten Schenkelenden und Einlagen oder ein (Ei)-Stegeisen mit erhöten Hufeisenschenkeln in Metallegierung (aus Gewichtsgründen) zu verwenden. Ein Nachteil des Gebrauches dieser Leichtmetallegierungen ist, daß Trachten mit ausgeprägtem Hufmechanismus dazu neigen Scheuerrinnen auf der Tragerfläche des Schenkels entstehen zu lassen.

8) Belastungsübertragung auf andere Hufbereiche

Um einen besseren Wachstum atrophischer Trachten zu erhalten, können unterschiedliche Techniken angewandt werden, durch die die Hufwandbelastung teilweise auf andere Bereiche des Hufes, wie zum Beispiel auf die Eckstreben, die Sohle und den Strahl, verteilt werden kann.

a) Unbeschlagenes Pferd

Die einfachste Methode, wie es früher oft in England im Sommer mit Jagtpferden gemacht wurde, besteht darin dem unbeschlagen Pferd genügend Auslauf auf der Koppel zu geben und dessen Hufen regelmäßig zu pflegen und im Zehenbereich zu kürzen.

b) Herz- Stegeisen

Durch das Herz- Stegeisen kann der in Flachhufen oft überentwickelte Strahl ausgenutzt werden, denn die Einlagen steht mit dem Strahl in Berührung.

Unvorteilhaft ist jedoch, daß dieser Beschlag nicht immer für Turnierpferde geeignet ist, denn der Druck, der die Einlage über den Strahl, das Strahlpolster und die tiefen Beugesehne auf den Strahlbeinschleinhautbeutel ausübt, ist zu groß sein kann.Noch weniger ist es für Pferde die sssssssschon Huffrollenentzündung haben geeignet.

c) Ein- und Unterlagen und die Verwendung von Kunststoffen (Silikonen)

Der Gebrauch von Einlagen ermöglicht es den Raum zwischen der unterlage und den Eckstreben, dem Strahl und der Hufsohle so auszupolstern,

daß alle Teile der Bodenfläche des Hufes fortlaufend zum Tragen der Körperlast herangezogen werden und somit zu einer Entlastung der Hufwand führt.

Normalerweise wird der Kunststoff (zwischen der unterlage und der Hufsohle) bei aufgehobenem Huf angebracht und sollte auch in dieser Position trocknen bzw. härten. Auf diese Weise vermeidet man, daß beim Auftreten des Pferdes Teile des noch flüssigen Kunststoffes hervorquellen und die Wirkung somit verringert wird oder sogar zu leichten Veränderungen der Hufkapsel, einschließlich Sohle, führen kann.

Eine Variante kann erreicht werden, indem man Löcher in die unterlage macht, durch die der Kunststoff herausquellen kann, um ihn dann so glattzustreichen, daß er mit dem Eisen eine Fläche bildet. Dieser Beschlag hat jedoch folgende Nachteile: Einen hohen Kostenaufwand, Strahlfäule kann entstehen und zuletzt muß der Huf eine diskrete Wandstärke besitzen, denn der besagte Beschlag muß durch Nägeln befestigt bzw. gehalten werden.

9) Künstlicher Wiederaufbau der Trachten

Zu letzt besteht die Möglichkeit einen

regelrechten Wiederaufbau der Trachten durch qualitative Kunstharze durchzuführen. Hierbei handelt es sich um Harze, die nicht nur sehr gut haften, sondern auch in bezug auf die Bewegung der Trachten sehr nachgiebig sein müssen.

Um diese Methode durchzuführen ist ein gewissenhaft gesäuberter Arbeitsplatz, und ein

sehr geduldiges und ruhiges Pferd Grundvoraussetzung, weil man beim Wiederaufbau der Trachten schichtweise verfahren muß,um ein Überhitzen sensibler Hufbereiche während des Trocknen des Harzes zu vermieden . Ein weiterer wichtiger Faktor ist, daß der Pferdehalter den hohen Kosten- und Zeitaufwand tragen können muß.

V. - SCHLUSSFOLGERUNG:

Zuletzt möchte ich jedoch unterstreichen, daß es keine allgemeine Beschlag- Lösung in bezug auf die jeweiligen Fehlerbildungen gibt, sondern eine Reihe von Methoden und Techniken, die je nach Erfordernis jedes einzelnen Pferdes oder sogar jedes einzelnen Hufproblems gewählt und angepaßt werden muß!

Schema 1
Schema 1 (a, b, c)

Schema 2
Schema 2

Schema 3
Schema 3

Schema 4
Schema 4

Schema 5
Schema 5

Scema 6
Schema 6

Schema 7
Schema 7

Schema 8
Schema 8

Schema 9
Schema 9

Schema 10
Schema 10

Schema 11
Schema 11

Schema 12
Schema 12

Schema 13
Schema 13

Schema 14
Schema 14



Hans Castelijns
D.V.M. - Certified Farrier

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